Lernen in digitalen Medien
Der größte Teil unserer Qualifikationen besteht also aus Dingen, die wir uns aus Interesse oder anhand der unmittelbaren Anforderungen, sei es im Job oder aus persönlichem Interesse, selbst beigebracht haben. Informelles Lernen ist somit einer der wichtigsten Faktoren, um bestehendes Wissen zu vertiefen oder uns neues Wissen anzueignen. Die permanente Verfügbarkeit von tutorials im Internet hat diesen Prozess in den letzten Jahren noch befördert. Lernvideos sind bereits fester Bestandteil der Wissensaneignung, sei es beim Kochen, bei der Reparatur von Dingen oder der Aneignung von Fachwissen. Für nahezu alle Lebensbereiche lässt sich eine Anleitung oder ein Video finden, um uns auch in fachfremde Inhalte einzuarbeiten. Statt in Bibliotheken Fachliteratur zu wälzen, nutzen wir lieber Suchmaschinen oder wikipedia, um unser Fachwissen zu vertiefen. Umgekehrt ist das Internet auch die Plattform unser eigenes Wissen zu präsentieren oder unsere eigene Position darzustellen. Sei es auf facebook oder twitter durch Kurznachrichten oder fundiert durch eigene Beiträge in Wikipedia, auf wissenschaftlichen Plattformen oder dem eigenen blog.
Welche Strukturen liegen einer klassischen Ausbildung zugrunde?
In der klassischen Bildungsstruktur, sei es eine schulische Ausbildung oder eine Weiterbildung, steht grundsätzlich der Lernweg im Vordergrund. Die Wissensvermittlung folgt einer vorgegebenen Struktur, zu einem bestimmten Fach oder Thema, vordefiniert in Form eines Lehrplans, der die zu vermittelnden Inhalte und die zu erwartende Prüfungsleistungen beschreibt. Ziel ist es ein möglichst umfassendes Wissen im Bezug auf ein festgelegtes Berufsbild zu entwickeln. Die Vergleichbarkeit der Leistung steht im Vordergrund mit dem Ziel eines einheitlichen Abschlusses.
Was unterscheidet informelles Lernen von anderen Lernstrukturen?
Wird im Rahmen einer Aus- oder Weiterbildung vor allem die Handlungskompetenz als Ergebnis aus Fach- und Methodenkompetenz gefördert, so ist die Kompetenzförderung im informellen Lernen differenzierter zu betrachten.
Informelles Lernen ist in der Regel auf die Lösung eines bestimmten Problems oder auf eine konkrete Fragestellung ausgerichtet, es entsteht in erster Linier aus dem eigenen Antrieb heraus. Dabei werden eigene Lernmöglichkeiten gesucht und teilweise durch eigene Untersuchungen ergänzt. Im Gegensatz zu einer festen Lernstruktur steht hier die Problemlösung im Vordergrund. Das Lernen ist also wesentlich stärker an der Lösung eines konkreten Problems oder einer Fragestellung orientiert, es kann deshalb auch von einer Problemlösungskompetenz gesprochen werden. Da informelles Lernen der eigenen Motivation und Herangehensweise folgt, sind die unterschiedlichen anhand der eigenen Fähigkeiten unterschiedlich ausgeprägt.
Im wesentlichen läßt sich die Problemlösungskompetenz in zwei Phasen unterteilen:
- die Entwicklungsphase in der nach der Identifikation und Beschreibung des Problems oder des Themas die Vertiefung und Ideenentwicklung folgt
- in der Umsetzungsphase wird die Idee oder das Projekt realisiert, dabei werden bereits vertraute Methoden (Methoden und Fachkompetenzen) durch neue individuelle Lernelemente (Tutorials, Videos, Selbststudium) ergänzt und somit die eigenen Kompetenzen erweitert.
Möglichkeiten informellen Lernens in der Weiterqualifikation
Die zunehmende Digitalisierung der Information, vor allem durch das Internet, hat auch die Bereitschaft erhöht Lernen als lebenslangen Prozess zu verstehen, und nicht als in sich abgeschlossene Qualifikation. Dies gilt ganz besonders für die Generation, die bereits in der Schule oder im Studium mit den Möglichkeiten der Digitalisierung aufgewachsen sind. Flexible Weiterbildungen, die die Fähigkeiten der Mitarbeiter einbeziehen und sich an die Arbeitszeiten anpassen, kommen den meisten Mitarbeitern mehr entgegen als in sich geschlossene Weiterbildungen. Hinzu kommt die erhöhte Bereitschaft der Unternehmen Weiterqualifikationen ihrer Mitarbeiter als wichtigen Bestandteil der Unternehmensentwicklung zu sehen und entsprechend zu fördern. Hierzu braucht es jedoch ein strategisches und schlüssiges Konzept, das Unternehmensziele, Qualifikationen der Mitarbeiter und die unterschiedlichen Möglichkeiten der Qualifikation verbindet.
70 % aller Lernaktivitäten erfolgen “on the job” durch tägliche Praxis und Erfahrung 20 % durch den Austausch mit Teammitgliedern, Führungskräften und Kollegen 10 % durch Weiterbildung Trainings
Informelles Lernen im schulischen Bereich
Leider hat die schulische Ausbildung in vielen Bereichen die Möglichkeiten informellen Lernens nur unzureichend erkannt. Eine Individualisierung der Lehre, die sich an den einzelnen Fähigkeiten der Schüler orientiert ist eher die Ausnahme und nicht die Regel. Auch heute bestimmt die ausschließliche Vermittlung von Fach- und Methodenwissen den Unterricht und nicht ein projektorientierter Unterrricht, der die individuellen Fähigkeiten eines jeden einzelnen Schülers in den Vordergrund stellt. Dies ist neben der fehlenden digitalen Ausstattung einer der wichtigsten Gründe für ein fehlendes zukunftsorientiertes Bildungkonzept. Dabei ist es gerade in einer sich rasant verändernden Arbeitswelt wichtig seine eigenen Fähigkeiten zu kennen und auszubauen, um sich dem Arbeitsmarkt flexibel anpassen zu können. Nicht umsonst ist heute vor allem projektorientiertes und kreatives Denken, ohne vorgefertigte Ergebnisse, mehr gefragt denn je. Hier sollte Schule ansetzen, um eine zukunftsorientierte Lehre zu entwickeln, die digitale Medien als Möglichkeit versteht individuelle Fähigkeiten zu fördern, und nicht als Transformation bestehender Schulformen in einen digitalen Raum. Die Auseinandersetzung mit informellen Lernstrukturen und Corporate Learning kann dabei eine große Hilfe sein.
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